Die Christkatholische Kirche der Schweiz wird Ende Mai einen neuen Bischof wählen. Im Vorfeld der Wahl werden seit Längerem Überlegungen zum heutigen Anforderungsprofil eines Bischofs oder einer Bischöfin angestellt. Das ist angemessen. Doch die wesentlichen Aufgaben eines Bischofs oder einer Bischöfin werden in der Weiheliturgie genannt, mit der Handauflegung «aufgetragen» und von der Kirche mitfeiernd bestätigt.
Angela Berlis
Christkatholische Bischöfe
Ende März 2024 jährte sich der Todestag von Eduard Herzog zum 100. Mal. Er lehrte von 1874 bis zu seinem Tod Neues Testament an der (christkatholischen) Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bern. Am 7. Juni 1876 wählte die in Olten tagende christkatholische Synode ihn zum Bischof, wenige Monate später, am 18. September 1876, konsekrierte der deutsche altkatholische Bischof Joseph Hubert Reinkens ihn in der Stadtkirche St. Martin in Rheinfelden. Herzog blieb nicht der einzige Professor in der Geschichte der Berner Universität, der zugleich Bischof war; auch seine Nachfolger Adolf Küry und dessen Sohn Urs Küry brachten Professur und Bischofsamt unter einen Hut. Der im November letzten Jahres aus Altersgründen zurückgetretene Bischof Harald Rein ist seit 2009 Privatdozent am Institut für Christkatholische Theologie der Universität.
Was kann daraus geschlossen werden? Im Christ- bzw. im Altkatholizismus werden Bischöfe, die auch theologisch versiert und auf der Höhe der Wissenschaft ihrer Zeit sind, sehr geschätzt. Auch andere Kirchen wissen aus Erfahrung: Spiritualität und Intellekt sind gute Grundlagen für das Ausüben eines geistlichen Führungsamtes.
Eduard Herzogs Verständnis vom Bischofsamt
Dies gilt auch für Bischof Eduard Herzog. Herzog hat in seiner Zeit Wesentliches zur kirchlichen Erneuerung beigetragen, insbesondere auf dem Gebiet der Liturgie und des Gebetslebens (Messbuch 1879 etc.), der Glaubenslehre (Katechismus) und der Ausbildung der Geistlichen. Seine Hirtenbriefe, die er zwischen 1876 und 1923 verfasste, spiegeln seine ökumenischen Bestrebungen (etwa im Hinblick auf die Anglikanische Kirchengemeinschaft), zugleich aber auch die Abgrenzung gegen strengkirchlich römisch-katholische Kirchlichkeit und Frömmigkeitsformen. Vor allem aber können seine Hirtenbriefe als Hinführungen zu einer ökumenisch ausgerichteten christlichen Lebensgestaltung gelesen werden. Sie sind biblisch fundiert und sprechen grundsätzliche Fragen christlichen Glaubens und christlicher Praxis an. Wissenschaftlich beschlagen, pastoral ausgerichtet und getragen von einer biblisch verwurzelten Frömmigkeit, wurde Herzog in seiner fast ein halbes Jahrhundert umfassenden Amtszeit zur prägenden Gestalt der christkatholischen Kirche und zu einem international agierenden ökumenischen Netzwerker.
Seinen ersten Hirtenbrief hat Bischof Herzog am Tag seiner Weihe 1876 „Über das christkatholische Bischofsamt“ an alle „Katholiken der Schweiz“ (die christkatholischen und die mit Rom verbundenen) gerichtet und darin die Entwicklung des Bischofsamts auf die Zeit der frühen Kirche zurückgeführt. Im Kontext der damaligen Zeit betonte er dabei vor allem die Wahl des Bischofs durch Geistliche und Laien, durch die Kirche also (im Gegensatz zu einer Ernennung oder Bestätigung durch den Papst). Die Weihe durch Gebet und Handauflegung hob er dabei besonders hervor. Herzog zitiert aus dem 2. Timotheusbrief 1,6: Paulus ermahnt seinen Schüler Timotheus, die Gnadengabe Gottes in der Gemeinde anzufachen, eine Gabe „die in dir ist durch Auflegung meiner Hände“. Die Sendung und Beauftragung werde also – so Herzog – durch einen dazu Berechtigten „übertragen“.
Herzogs Weihe geschah 1876 im Kontext der polemischen Auseinandersetzung mit Rom – Herzog und Reinkens wollten in weiser Voraussicht vermeiden, dass Rom – ähnlich wie bei der Kirche von England nach der Reformation – die Gültigkeit der Weihe und damit des Amtes an sich infrage stellen würde. Deshalb wurde der Wortlaut des lateinischen Weiheformulars beim eigentlichen Weiheakt buchstabengetreu beibehalten. Manche andere Formulierung in der Weiheliturgie übernahmen Reinkens und Herzog aus verständlichen Gründen jedoch nicht, wie etwa das Gelöbnis von „Treue, Unterwerfung und Gehorsam“ gegenüber dem Papst. Stattdessen wurde an dieser Stelle im Weihegottesdienst die Bischofswahlakte der Synode verlesen.
Die Liturgie der Bischofsweihe heute
In späterer Zeit wurde die Weihehandlung zwar sprachlich und inhaltlich verändert, in ihrer Grundstruktur ist sie jedoch bis heute gleich (wie auch in anderen Kirchen katholischer Tradition).
Die Weihe ins Bischofsamt, wie sie heute im „Christkatholischen Gebet- und Gesangbuch“ (2004) zu finden ist, geschieht nach der Wortverkündigung und der Predigt im Rahmen einer Eucharistiefeier. Sie beginnt mit einem Hymnus auf den Hl. Geist. Anschliessend folgt ein Dialog zwischen dem Bischof, der die Weihe vollzieht, und dem erwählten Bischof; darin werden die Aufgaben eines Bischofs genannt, die der zu Weihende durch sein „Amen“ bejaht. Auf das Glaubensbekenntnis und die Litanei folgen Handauflegung und Weihegebet. Dabei halten zunächst zwei Diakone oder Diakoninnen das Evangeliar offen über den Kopf des Gewählten. Damit wird angedeutet, dass Christus der eigentliche Konsekrator ist. Anschliessend folgt die Handauflegung, die Haupt- und Mitkonsekratoren schweigend nacheinander verrichten. Das folgende Weihegebet ist ein anamnetischer Lobpreis Gottes. Immer wieder berufe Gott Menschen dazu, „dass sie besondere Verantwortung für Verkündigung und Leitung tragen.“ – „Darum bitten wir dich: Sende deinen Heiligen Geist auf deinen Diener N…..“. Hier werden die drei grundlegenden Aufgaben des Bischofsamts genannt: „Stärke ihn/sie im Dienste der Verkündigung, dass er/sie dein Evangelium mit Macht verbreite, die grossen Taten deiner Liebe mit dem Volke feiere und es als guter Hirte auf deinem Weg leite.“ Dies tut der Bischof oder die Bischöfin in Verbundenheit „mit seinen Brüdern und Schwestern im priesterlichen Dienst“. Der Bischof ist also kein Alleingänger, sondern ein verbundener und verbindender Mensch (mit allen im Amt und allen Gläubigen).
Die Bitte um den Hl. Geist ist grundlegend. Sie durchzieht faktisch die gesamte Weihehandlung, angefangen bei der hymnischen Anrufung zu Beginn. Das gesamte Handeln dieses neuen Bischofs oder dieser neuen Bischöfin, aber auch das Handeln der ganzen Kirche braucht das Wirken der heiligen Geistkraft, damit der Dienst gelinge und Wirkung für die Menschen hat.
Der Bischof in der Liturgie ist an seinem eigentlichen Ort
Der eigentliche Ort des Wirkens eines Bischofs ist und bleibt die Liturgie. „It is in the liturgy that the bishop is most truly the bishop”, schreibt der anglikanische Theologe Paul Avis im Jahr 2015 in seinem lesenswerten theologischen Handbuch zum bischöflichen Dienst mit dem schönen Titel „Becoming a Bishop“. Wenn der Bischof oder die Bischöfin der Eucharistie vorsteht inmitten der Gemeinde, wird das Wesen des bischöflichen Amtes am sichtbarsten. [1] Hier ist Kirche versammelt um die Person, die sie (an)leitet in Verkündigung, sakramentalem Leben und als Hirte. Die Kirche wird sichtbar als Leib Christi, den die versammelte Gemeinde empfängt. Es ist ein Wechselspiel von Empfangen und Werden – ein Gottes-Dienst, der in verschiedene Dimensionen hineinführt: einerseits zum Dienst an Gott, andererseits zum Dienst für die Welt. Im Dienst an Gott schliesst sich der Kreis der Gottesliebe für uns; denn es ist die Gottesliebe, die uns Menschen dazu befähigt, als Liebende zu respondieren. Im Dienst für die Welt verwirklicht sich die Gottesliebe durch unsere Hinwendung zum oder zur Nächsten. Die „leiturgia“ führt den feiernden Menschen so letztlich zu einem tieferen Verstehen und Mitvollziehen der Gottes- und der Nächstenliebe, die miteinander verbunden sind. Das Empfangen ermöglicht so das Werden des Menschen, was im gesamten Gottesdienst geschieht, seinen intensivsten Ausdruck jedoch in der Symbolik des Leibes Christi findet.
Und die Aufgabe des Bischofs? Der Bischof übt die die „episkopé“ aus, was gemeinhin mit „Aufsicht“ (im Sinne von Leitung) übersetzt wird. Im englischen wird „episkopé“ mit „oversight“ übersetzt. Vielleicht hat ein Bischof eben auch eine gute „Übersicht“ – nicht nur im intellektuellen, sondern insbesondere auch im pastoralen Sinne.
Zum Schluss
Am Samstag, 13. April 2024, stellen sich die drei nominierten Priester für das Bischofsamt (eine Priesterin stellte sich für diese Wahl nicht zur Verfügung) an einer öffentlichen und für alle Interessierten zugänglichen Wählerversammlung in Olten vor. Sie werden ihre Sicht des Bischofsamts darlegen und sich befragen lassen. Es ist wichtig, dass die Kirche sich – unter Einschluss der breiteren Öffentlichkeit – zum Anforderungsprofil dieser Leitungsfunktion im heutigen Kontext Gedanken macht. Die Erinnerung an Eduard Herzog, der von 1872 bis 1876 in Olten Pfarrer der dortigen christkatholischen Gemeinde war, kann dazu beitragen, sich dabei auch der biblischen, liturgischen und spirituellen Grundlegung im christkatholischen Verständnis des Bischofsamts zu vergewissern.
Der christkatholische Bischof Harald Rein legt am Ende seines Verabschiedungsgottesdienstes seinen Bischofsstab auf den Altar. Dort wird er ruhen, bis ein neuer Bischof oder eine neue Bischöfin gewählt und geweiht wird. Foto: Christoph Knoch
Anmerkung:
[1] Wenn Priester oder Priesterin der Eucharistie vorstehen, tun sie dies in Auftrag und Vertretung des Bischofs.
Literatur:
Bischof und Synodalrat der Christkatholischen Kirche der Schweiz (Hg.), Gebet- und Gesangbuch der Christkatholischen Kirche der Schweiz, Basel [2004]
Paul Avis, Becoming a Bishop. A Theological Handbook of Episcopal Ministry, London u.a. 2015
Eduard Herzog, Synodalpredigten und Hirtenbriefe, Bern 1886
Dr. Angela Berlis ist Professorin für Geschichte des Altkatholizismus und Allgemeine Kirchengeschichte am Institut für Christkatholische Theologie der Universität Bern und Co-Leiterin des Kompetenzzentrums Liturgik
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