Gedanken zum Aschermittwoch

Der Aschermittwoch ist ein Einschnitt. Mit diesem „Tag der Asche“ beginnt die vierzigtägige Fastenzeit vor Ostern. Aber nicht nur das!

Angela Berlis

Viele Menschen begegnen der Bezeichnung „Aschermittwoch“ heute in einem ganz anderen Kontext. In den deutschen Nachrichtenmedien wird immer über den „Politischen Aschermittwoch“ berichtet. Ursprünglich geht dieser Brauch auf das Jahr 1580 zurück, als bayrische Bauern in Vilshofen beim Vieh- und Pferdemarkt nicht nur über die Preise feilschten, sondern auch über Tagesthemen diskutierten. In der Weimarer Republik setzte sich der Politische Aschermittwoch als politisches Parteitreffen durch, der im Nachkriegsdeutschland bis Mitte der 1970er Jahre weiterhin in Vilshofen an der Donau stattfand. Heute wird der Politische Aschermittwoch schon lange nicht mehr nur von einer Partei und auch nicht mehr nur in Bayern begangen. Im Jahr 2022 wurde er wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine kurzfristig abgesagt. Beim Politischen Aschermittwoch werden knackige Reden gehalten, die die Mitglieder wieder auf die eigene Partei einschwören und den Zusammenhalt und die eigene Identität bestärken wollen. Weniger bekannt als dieser Politische Aschermittwoch ist der „Aschermittwoch der Künstler“, den der römisch-katholische Schriftsteller Paul Claudel nach dem Zweiten Weltkrieg in Paris initiierte und der bald – meist im Anschluss an einen ökumenisch gefeierten Gottesdienst – in verschiedenen Diözesen aufgegriffen wurde. Ist es Zufall, dass solche Treffen (es gibt auch einen „Aschermittwoch der Kabarettisten“) mit dem Namen eines zentralen christlichen Festes verbunden wurden?

Für viele andere Menschen ist der Aschermittwoch ein Tag mit Katerstimmung: An diesem Tag sind die ausgiebig gefeierten Faschings-, Fastnachts- oder Karnevalstage definitiv zu Ende. Als ich noch zur Schule ging, begann an Aschermittwoch wieder die Schule – viele wirkten unausgeschlafen und erschöpft! Das Aschenkreuz, das wir damals im Aschermittwochgottesdienst empfingen, passte zur Stimmung des Tages und zum Bewusstsein, dass tatsächlich ein Einschnitt geschah! Die ausgelassene Zeit, der Ausnahmezustand war zu Ende, jetzt begann ein Alltag wieder, der durch Beschränkung des Speiseplans zusätzlich verkargt wurde. So waren Fastnachtszeit und anschliessende Fastenzeit irgendwie miteinander verbunden – trotz damals schon deutlich wahrnehmbarer Säkularisierungstendenzen. Heute praktizieren viele Menschen das Fasten, ohne es religiös mit einer Fastenzeit zu verbinden. Der Aspekt der Gesundheit steht im Vordergrund. Das hat sicher seine Berechtigung. Fasten hat zudem oft als Folge, dass ich mich auf mein Leben besinne: Wie will ich eigentlich leben, was ist mir wichtig – für mich selbst, für meine Beziehung zu anderen? Was will ich loslassen oder loswerden?

Aschermittwoch kann ein Einschnitt sein, an dem ich zur Besinnung komme. 

Woher kommt eigentlich die Asche, mit dem die Gläubigen im Gottesdienst am Aschermittwoch bezeichnet werden? Es sind die am Palmsonntag des Vorjahres geweihten Palmzweige, die verbrannt werden. So schliesst sich der Kreis symbolisch wieder. An Palmsonntag nehme ich die geweihten Palmzweige nach Hause und stecke sie hinter Kreuze, Ikonen oder Abbildungen von Heiligen, die mir viel bedeuten. Zu Aschermittwoch nehme ich die inzwischen verdorrten Zweige und verbrenne sie, bis sie Asche geworden sind. Das allein ist ein meditativer Vorgang. Ich vollziehe den Gang alles Irdischen mit und weiss, dass ich selbst Teil davon bin. Meine eigene Lebenszeit ist begrenzt, aber jetzt habe ich noch Zeit…

Im Gottesdienst wird die Asche auf die Stirn gezeichnet oder auf den Kopf gestreut. Mit der Asche wird der Mensch an seine Vergänglichkeit erinnert. Der gesamte Gottesdienst am Aschermittwoch steht im Zeichen von Besinnung und Einkehr: Leben wir als Menschen so, wie es uns als Menschen geziemt? Wie verhalten wir uns, unseren Mitmenschen, uns selbst, aber auch Gott gegenüber? Die Gebete stehen unter dem Vorzeichen der Hoffnung auf Gottes Barmherzigkeit, der Bitte um Aufrichtung und um Segen. Christus ist gekommen, „zu suchen und zum Leben zu führen“, heisst es im Gebet bei der Aschenauflegung. Dies kann auch Folgen für unsere Lebensführung haben, wenn wir dem Platz geben. Wir können umkehren, das heisst, wir können neu ausgerichtet und aufgerichtet werden.

Meine Frage, wieso auch andere Tage heute als „Aschermittwoch“ benannt werden, kann ich hier  nicht abschliessend beantworten und freue mich auf Anregungen dazu. Was mir auffällt, ist, dass die christliche Festkultur viele Jahrhunderte lang prägend war und deshalb auch sprachlich in andere Kontexte überführt wurde. Dass „Aschermittwoch“ Besinnung auf die eigene Identität bedeutet und einen Prozess anstossen will, diese Besinnung nicht nur punktuell zu verhaften, sondern mit einem (neu) bestimmten Lebenskonzept zu verbinden, mag dabei auch eine Rolle spielen. Als christliche Theologin sehe ich hier einen guten Grund, die Feier des Aschermittwoch mit seiner grossen Zeichenhaftigkeit wieder stärker ins Bewusstsein christlicher Feierkultur zu rücken.

Dr. Angela Berlis ist Professorin für Geschichte des Altkatholizismus und Allgemeine Kirchengeschichte am Institut für Christkatholische Theologie der Universität Bern und Co-Leiterin des Kompetenzzentrums Liturgik


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