To Pray or Not To Pray? That’s the Question

To Pray or Not To Pray? That’s the Question

In der Planung Theologischer Konferenzen, Workshops und Events stellt sich früher oder später die Frage, ob Zeiten für einen gemeinsamen Gottesdienst und Gebet eingeplant werden sollen oder ob dies den professionellen und akademischen Status kompromittieren könnte. Im Folgenden sollen ein paar Aspekte dieser komplexen Fragestellung anhand eines Beispiels der Utrechter Summer School zum Thema „Anglicanism in Europe“ beleuchtet werden.

Edda Wolff

Im Juli 2023 wurde zum ersten Mal eine Summer School der Anglikanischen Kirchen in Europa an der Universität Utrecht abgehalten. Die Idee einer solch intensiven Studienwoche wurde vom Erfolg der Altkatholischen Summer School inspiriert, die jährlich mehr internationale Teilnehmende in die Niederlande zieht.

Die Idee der Anglikanischen Summer School war es eine möglichst breitgefächerte Einführung in Anglikanische Theologe und Geschichte in Europa zu geben und damit eine Vielzahl unterschiedlicher Teilnehmender anzusprechen. Die Studierenden waren zum Teil langjährige Gemeindemitglieder Anglikanischer Gemeinden in Europa, teilweise kamen sie aus Neugier (z.B. inspiriert von der Teilnahme an der Altkatholischen Summer School). Manche von Ihnen befanden sich auf verschieden Stufen des Anglikanischen Ordinationsprozesses oder waren ordiniere Gemeindeleiter unterschiedlicher anglikanischer Kirchen, manche hatten zuvor kaum Kontakt mit Anglikanischer Liturgie oder Theologie gehabt.

Ein paar Tage vor Beginn des Kurses fragte der Bischof der Convocation of Episcopal Churches in Europe, The Right Rev. Mark Edington, mich an, ob ich die Planung und Organisation der täglichen Gottesdienste für den Kurs übernehmen könne. In diesem Betrag möchte ich auf den Planungsprozess reflektieren und einige der theologischen und didaktischen Aspekte darstellen.

Die täglichen gemeinsamen Gottesdienste sollten für den Kurs unterschiedliche Funktionen erfüllen. Einerseits sollen sie eine Abwechslung und Auflockerung im sehr dichten Kursprogram bieten. Anderseits sollten sie auch einen Einblick in unterschiedliche Liturgietraditionen der Anglikanischen Gemeinschaft bieten. Nicht zuletzt sollten sie auch die Diskussion zwischen dem Teilnehmen anregen und ihnen die Möglichkeit geben, auf ihre eigene Tradition zu reflektieren und sich aktive am Kursgeschehen zu beteiligen.

Hierzu habe ich gemäß den Vorgaben des Planungsteams eine Reihe von Gottesdiensten zusammengestellt, die sowohl historisch als auch geografisch einen Einblick in die Diversität der Anglikanischen Kirche bieten sollten.

Als Eröffnungsgottesdienst wurde eine Eucharistiefeier in der Tradition der Amerikanischen Episkopalkirche gefeiert (Book of Common Prayer, 1979). Da viele der Teilnehmenden (und der Lehrenden) zu Gemeinden der Episkopalkirche gehören, sollte dies einen zugänglichen und bekannten Einstieg in die Liturgie ermöglichen.

Der moderne und partizipative Gottesdienst wurde kontrastiert mit einer Eucharistiefeier auf der Grundlage des 1764 Schottisch Episkopalen Gebetsbuchs (Wee Books). Der Klerus-zentrierte und bußfertige Gottesdienst zeigte einen anderen theologischen und liturgischen Schwerpunkt, den viele Teilnehmende so nicht aus ihrer Gottesdiensterfahrung kannten.

Am nächsten Tag wurde ein Evensong auf der Grundlage des 1662 Book of Common Prayer aus der Tradition der Church of England gefeiert. Wie auch der Gottesdienst des Vortages war diese vielen der internationalen der Teilnehmende sprachlich schwer zugänglich.

Am Mittwoch feiert die Gruppe einen Eucharistiegottesdienst in der Tradition der Anglikanischen Kirche in Kenia. Diese stellt ein Beispiel für die Überarbeitung und Kontextualisierung Anglikanischer Liturgie durch eine nicht-Europäische Teilkirche dar.

Den Abschluss am letzten Tag des Kurses bildete ein Abendgebet auf der Grundlage des neuseeländischen Gebetsbuches (Newsealand Prayer Book 1988) dar. Dieses Buch hat großen Anklang in der weiteren Anglikanischen Gemeinschaft gefunden und mit seiner schöpfungstheologischen Ausrichtung andere Liturgiereformen inspiriert.

Teilnehmende wurden dazu angehalten die Gottesdienste als Lektoren, Ministranten oder durch die Übernahme von Fürbitten oder auch – für ordinierte Teilnehmende – als Zelebranten mitzugestalten. Im Anschluss an die jeweiligen Gottesdienste hielt Bischof Mark Edington die Teilnehmenden dazu an auf ihre Erfahrungen mit der Liturgie zu reflektieren und diese mit der Gruppe zu teilen.

Der Prozess der Planung dieser Liturgien hat mich dazu angeregt auf die didaktische und theologische Bedeutung der gemeinsamen Gottesdienstfeier im Kontext akademisch-theologischer Veranstaltungen zu reflektieren. Die Aufgabe, liturgische Feiern aus sehr unterschiedlichen historischen Kontexten zusammenzustellen, ließ mich die Frage stellen, was es bedeutet Liturgie authentisch auch jenseits der eigenen Tradition zu feiern.

Die Gottesdienste der Summer School haben insgesamt von den Teilnehmenden ein sehr positives Feedback bekommen. Oftmals wurde dabei vor allem die die Möglichkeit betont, andere kirchliche Kontext „erfahrbar“ zu machen. Gelerntes aus den Lektionen zur geschichtlichen Entwicklung der Anglikanischen Kirche und ihrer Liturgie konnte dabei auf eine vertiefte und ganzheitliche Weise erlebt werde. Darüber hinaus schätzten die Teilnehmenden, die Chance auf ihre eigenen liturgischen Kontexte in der Gruppe zu reflektieren und sich vertieft und kritisch mit diesen auseinander zu setzen.

Gleichzeitig darf, meiner Meinung nach, die Feier des Gottesdienstes auch nicht einfach zu einer ergänzenden „Lehrmethode“ reduziert werden. Die Liturgie wird ja nicht bloß analysiert oder „vorgeführt“, sondern gemeinsam gefeiert und gebetet.

Wenn wir mit Prosper von Aquitanien annehmen, dass Liturgie Kirche bildet, dann kann es keine distanzierte unbeteiligte „Aufführung“ des Gottesdiensts geben. Vielmehr bringt dieser die Teilnehmenden immer schon, unabhängig vom Level ihrer „aktiven“ Teilnahme, auf einer neuen und transformieren Weise zusammen. Wenn eine Gruppe nicht nur gemeinsam lernt, sondern darüber hinaus gemeinsam Gottesdienst feiert, wird nicht nur die mögliche Erfahrung des Einzelnen, sondern das Verhältnis der Teilnehmenden untereinander auf eine neue Ebene hin geöffnet.

Für den Kontext Theologischer Konferenzen, Workshops und Events stellt sich daher die Frage, wie die Feier gemeinsamer Gebetszeiten sich zu unserem Verständnis von Theologie verhält. Wie können diese authentisch und ganzheitlich eingebunden werden, ohne blosse „Anhängsel“ an einen langen Konferenztag zu werden? Wie können gemeinsame Feiern unser Kirchen- und Theologieverständnis widerspiegeln? Wie können sie die Erfahrung von theologischer Gemeinschaft bereichern und die akademische Diskussion ergänzen und vertiefen? Diese Fragen gilt es sorgfältig abzuwägen um das geistliche und kirchenbildende, aber auch das kritische Potential von gemeinsamen Gebeten auszuloten.

 

Edda Wolff arbeitet als Post-Doc am Institut für Christkatholische Theologie in Bern und forscht zu zeitgenössischen Liturgieformen

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